Die Situation im Handwerk bleibt weiterhin angespannt. Der traditionelle Handwerkertag konzentrierte sich darauf, Lösungen zur Überwindung der Rezession zu finden und die Wirtschaft nachhaltig zu stärken. Dazu lieferte Festredner Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände, einige Ansätze im Hinblick auf die Senkung der Steuer- und Abgabenlast, der Schaffung von Anreizen für Mehrarbeit und der Verbesserung des Bildungssystems.

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„Das Handwerk hat es am Herzen!“. Mit dieser Aussage lieferte Kreishandwerksmeister Mickel Biere gleich zu Beginn der Veranstaltung die aktuelle und Besorgnis erregende Diagnose des Patienten Handwerk. Schon im letzten Jahr sei der Gesundheitszustand bedenklich gewesen: „Zu viel Stress durch übermäßige bürokratische Vorgaben und keine Energie durch schlechte und unsichere Versorgung sowie fehlende Rohstoffe.“ Anstatt den Tiefpunkt überwunden zu haben, drohe jetzt dem Herzen – dem Baugewerbe – der Infarkt. „Wenn nichts passiert, droht uns der Kollaps“, so Biere.

Bereits Anfang des Jahres habe man, wie viele andere Verbände im Übrigen auch, auf diesen bedrohlichen Zustand auf höchster politischer Ebene aufmerksam gemacht und sozusagen die Patientenakte des Handwerks in Form eines Forderungspapiers an den Bundesfinanzminister überreicht. Darin enthalten zehn wesentliche Punkte: Abbau von Bürokratie, Sicherung von Fachkräften, Planungssicherheit, Unterstützung des Baugewerbes, Förderung von Investitionen und Digitalisierung, stabile Energiepreise, praktischer Klimaschutz, steuerliche Entlastungen und die Bekämpfung der Schwarzarbeit.

Auch Europa spiele eine entscheidende Rolle als Stabilitätsfaktor, und der Wohlstand in einer der größten Wirtschaftsräume der Welt dürfe nicht gefährdet werden. Dazu sei aber eine Politik nötig, die kleine und mittelständische Unternehmen unterstützt und bei der Gesetzgebung einbezieht. Das sei allerdings bei der fragwürdigen Gesetzgebung in punkto Nachhaltigkeitsberichterstattung und dem Lieferkettengesetz nicht der Fall gewesen. „Obwohl wir im Handwerk nicht zur Berichterstattung verpflichtet sind, sehen wir uns aber trotzdem aufgrund von Auftraggebern oder Banken damit konfrontiert“, so Biere. Den damit verbundenen Aufwand könnten die Betriebe im Handwerk gar nicht bewältigen. Das gelte auch für das Lieferkettengesetz.

„Denkt bei der Gesetzgebung einfach an uns“, so der kurze und direkte Appell des Kreishandwerksmeisters. Es gehe doch im Kern nur darum, das Handwerk machen zu lassen: „Aber wie sollen wir unsere Leistungen überhaupt erbringen, wenn wir ständig mit Störfaktoren belegt werden?“, fragt Biere. Nichts desto trotz – und das zeichne eben das Handwerk aus – stehe man mit Leidenschaft und Freude hinter der eigenen Arbeit. Das Handwerk liefere schon alleine deswegen als Arbeitgeber Top-Bedingungen. Mit dem Nachwuchs hapere es trotzdem. Dafür machte der Kreishandwerksmeister verschiedene Gründe verantwortlich: angefangen von der demographischen Entwicklung, über fehlende Wertschätzung bis hin zum Akademisierungswahn.

Erzbischof Udo Markus Bentz griff den Ball des Kreishandwerksmeisters auf und hob in seinem Grußwort die Bedeutung von schöpferischer Arbeit, Sinnstiftung und gesellschaftlichen Werten hervor, die besonders im Handwerk zum Tragen kommen. Diese Werte seien eng mit den Prinzipien des christlichen Glaubens verbunden, wie er anhand von Beispielen erläuterte.

Auch die Europaabgeordnete Verena Mertens betonte die Rolle des Handwerks innerhalb der Europäischen Union: „Das Handwerk ist das Rückgrat unserer europäischen Wirtschaft“. Besonders in der grünen Transformation seien Handwerker unverzichtbar. Dennoch müsse die Bürokratie reduziert werden, da Regelungen, die für Großunternehmen gedacht sind, den Alltag der Handwerker erschwerten. Bestehende Vorschriften sollten effizient angewandt werden, um das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Handwerksbetriebe zu stärken. Dies würde den Dokumentations- und Kontrollaufwand verringern.

Festredner Steffen Kampeter erklärte, warum er die Einladung zum Tag des Handwerks angenommen habe. Erstens schätze er den direkten Dialog, der offen und klar sei. Zweitens beeindruckten ihn die Leistungen des deutschen Handwerks mit einem Umsatz von 735 Milliarden Euro im Vergleich zu den 300 Milliarden von Google weltweit. „Darauf können sie stolz sein.“

Die Herausforderungen, denen sich das Handwerk und die deutsche Wirtschaft gegenübersehen, müssten aktiv angegangen werden, um die Wachstumsschwäche zu überwinden. Mit seinem Ansatz „Mehr Bock auf Arbeit“ skizzierte er die Rahmenbedingungen, die erforderlich seien, um wirtschaftliche Stärke zu erreichen.

„Ein zentraler Punkt ist mehr Netto vom Brutto“, sagte Kampeter. Die hohe Steuer- und Abgabenlast in Deutschland belaste das Handwerk erheblich. Besonders die Sozialversicherungsabgaben seien eine Bürde für das personalintensive Handwerk. Eine Reduzierung sei notwendig, um Schwarzarbeit zu vermeiden.

Insbesondere in punkto Arbeitseinstellung müsse ein Umdenken erfolgen. Überall sei von der Balance zwischen Arbeit und Leben die Rede, als seien beides Gegensätze, die sich gegenüberstehen. „Wir müssen endlich verstehen, dass beides zusammengehört“, so Kampeter. Das Motto müsse lauten: Arbeiten, um zu leben! Vor diesem Hintergrund müssten eben auch Anreize geschaffen werden, so dass Arbeiten als sinnstiftend empfunden werde und Mehrarbeit nicht als Last empfunden würde.

Dazu gehöre aber eben auch eine verlässliche Infrastruktur, die den Familiensituationen der Arbeitnehmer gerecht werde, sei es in der Kinderbetreuung oder in der Pflege. Der Bereich der unfreiwilligen Teilzeitarbeit müsse besser gestaltet werden, um eine höhere Beteiligung am Arbeitsleben zu ermöglichen.

Kampeter forderte außerdem, dass der Sozialstaat klar zwischen Erwerbsarbeit und Nichterwerbsarbeit unterscheiden müsse. Das Bürgergeld gehörte reformiert, um sicherzustellen, dass Lohnarbeit sich deutlich von staatlichen Leistungen abhebe. „Die Hilfe muss sich auf wirklich Bedürftige konzentrieren“, sagte Kampeter.

Der Festredner nannte auch Bildung als ein weiteres Schlüsselelement, um „Bock auf Arbeit“ zu machen. „Bildung muss oberste Priorität haben, und die Qualität muss gewährleistet werden“, sagte er. Ein weiterer Punkt, die schwächelnde deutsche Wirtschaft wieder zu stärken sei die Abschaffung staatlicher Anreize, die eben weniger Arbeit förderten. Diese Maßnahmen gefährdeten auf lange Sicht den Wohlstand.

Abschließend betonte Steffen Kampeter, dass Deutschland wieder wirtschaftlich stark werden muss. Dazu bedürfe es allerdings entschlossenem politischem Handeln.

Foto-Unterzeile (v.l.): Michael Lutter, Hauptgeschäftsführer, Udo Markus Benz, Erzbischof, Verena Mertens, EU-Abgeordnete, Steffen Kampeter, Festredner, Mickel Biere, Kreishandwerksmeister, Bürgermeister Michael Dreier, Carsten Linnemann, Generalsekretär CDU und Christoph Rüther, Landrat Kreis Paderborn.