STORY
25.08.2022
Energiekrise bedroht
Existenzen im Handwerk
„Energieintensive Gewerke wie Bäcker, Fleischer oder metall- und holzverarbeitende Betriebe blicken angesichts der immer weiter steigenden Energiepreise in eine existenzbedrohende Zukunft“, sagt Kreishandwerksmeister Mickel Biere. Und alle anderen nicht ganz so energieintensiven Gewerke hätten spätestens bei der Frage nach der Versorgungssicherheit ebenfalls tiefe Sorgenfalten in der Stirn.
„Die Politik muss dringend gegensteuern, damit das Handwerk und mit ihm die gesamte deutsche Wirtschaft nicht in einen saftigen Crash hineinsteuern“, sagt auch Hauptgeschäftsführer Michael H. Lutter. Acht- bis zehnfache Preiserhöhungen bei energieintensiven Gewerken, wie von den Energieversorgern prognostiziert, könnte keiner der Betriebe mehr stemmen. „Dann müssen wir die Türen abschließen“, beschreibt Biere die dramatische Situation.
Das Handwerk könne derartige Kosten nicht in der gleichen Höhe, wie sie anfallen, an Kunden weitergeben. „Das alles führt dann schlussendlich dazu, dass viele Aufträge nur noch als Minusgeschäft zu erfüllen sind, was auf Dauer kein Betrieb aushalten kann. Von daher trifft das viele unserer Betriebe wirtschaftlich ganz intensiv“, ist Biere sicher. Und dann sei da ohnehin die Frage der Versorgungssicherheit. „Ohne Energie läuft dann bei all unseren Betrieben rein gar nichts mehr“, sagt er.
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Es sei daher ganz wichtig, dass die Bundesregierung jetzt ihr Möglichstes tut, um die betroffenen Handwerksbetriebe zu unterstützen, damit sie durch diese schwierige Zeit kommen. „Das Handwerk erwartet nicht, dass der Staat alle Risiken abfedert“, sagt Lutter und fügt hinzu: „Zu Coronazeiten gab es Hilfspakete, da muss jetzt erst recht etwas gesehen, denn die Lage ist weitaus schlimmer“.
Insbesondere in punkto grüner Energie stellen sich Biere und Lutter die Frage, warum auch die Preise von beispielsweise Windenergie ebenfalls exorbitant in die Höhe schießen. „Weder Wind noch Abschreibungen von Anlagen sind teurer geworden, warum steigen dann die Preise?“, will Lutter wissen. Und dann ist da noch die Sache mit der Atomkraft: „In Zeiten wie diesen darf sich die Frage nach einer Abschaltung gar nicht mehr stellen“, sagt Lutter.
26.08.2022
Gespräch mit Energieversorgern
„Wie schlimm wird es denn nun wirklich für unsere Betriebe?“, will das Handwerk von den heimischen Energieversorgern wissen. Zu Gesprächen hatten die Handwerker daher in Lippe die drei Geschäftsführer Volker Stammer, Stadtwerke Bad Salzuflen, Jörg Karlikowski, Stadtwerke Detmold, und Arnd Oberscheven, Stadtwerke Lemgo, eingeladen. In Paderborn kamen Klaus Brüggemann, Vertriebsleiter der BeSte Stadtwerke Steinheim, und Christian Müller, Geschäftsführer der Stadtwerke Paderborn, zum Gespräch.
Alle betonten, dass gerade bei energieintensiven Gewerken Preissteigerungen um das acht- bis zehnfache nicht auszuschließen seien, sofern nicht bereits vertragliche Absprachen mit den Energieversorgern beständen.
„Wir bereiten unsere Gewerbekunden bereits seit einiger Zeit auf die Preissteigerungen vor“, erklärt Jörg Karlikowski und rät all denen, die bisher noch keinen Kontakt mit ihren Energieversorger aufgenommen haben, dies schleunigst zu tun. „Allerdings sind die Preise jetzt schon in einer Höhenlage, die niemand mehr bezahlen möchte“, fügt Arnd Oberscheven hinzu. Hinzu komme die Tatsache, dass die an der Börse gehandelten Preise nicht mehr kalkulierbar seien und nur eine kurze Gültigkeit hätten.
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„Wir als Energieversorger sitzen schon lange nicht mehr am Steuer, sondern eher im Kofferraum“, beschreibt Volker Stammer die Rolle der Stadwerke bildhaft. Die heimischen Energieversorger, und da stimmen die beiden anderen Geschäftsführer ihm zu, hätten mittlerweile zunehmend Probleme, überhaupt handelbare Stromprodukte zu bekommen. Die Frage der Preisgestaltung stelle sich da gar nicht mehr. Das unterstreichen auch Brüggemann und Müller.
Die Sorgen der Handwerker verstehen und teilen alle Gesprächsteilnehmer. „Allerdings sind sich viele Betriebsinhaber wie auch Privatpersonen dem Ernst der Lage immer noch nicht bewusst “, beschreibt Karlikowski seinen Eindruck. „Wir steuern auf einen Crash zu“, ist sich Stammer sicher. Oberscheven liefert auch das Datum dazu: Im Februar 2023, wenn die neuen Abschlagszahlungen fällig werden.
Was jetzt noch helfen könne, will Hauptgeschäftsführer Michael H. Lutter wissen. Stammer zieht den Vergleich zur Coronapandemie, die anfangs ähnlich bedrohlich war. „Nach großer Unsicherheit und Delta kam dann der Impfstoff und leichtere Virusvarianten – in der Energiekrise haben wir weder einen Impfstoff, noch kennen wir die Virusvarianten.
Von allen Beteiligten wird empfohlen, sich intensiv mit den Möglichkeiten des Energiesparens auseinanderzusetzen, da jede aktiv einsparte Kilowattstunde nicht bezahlt werden muss und damit kostendämpfend wirkt und im Falle des Gaseinsatzes einer Mangellage vorbeugt.
30.08.2022
Zielsicher zur
energetischen Förderung
Das Thema Energie gewinnt für Handwerksbetriebe auch vor dem Hintergrund aktueller Begebenheiten enorm an Wichtigkeit. Ein Hybridvortrag der Abteilung Innovation der Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe in Kooperation mit dem Experten Sebastian Hund von WERK.E, Energie- Effizienz-Beratung GmbH & Co. KG, und Peter Jakob, Geschäftsführer bei WestfalenWIND, mit dem Titel „Zielsicher zur energetischen Förderung“ brachte wichtige Erkenntnisse für die Teilnehmer.
„Vor dem Hintergrund der Energiekrise, des Ukraine-Kriegs und der extremen Energiekostensteigerung rückt das Thema für unsere Handwerksbetriebe immer weiter in den Fokus“, sagt Bastian Kallenbach, Digitalisierungsbeauftragter für Innovation und Technologietransfer der Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe. Insbesondere energieintensive, produzierende Gewerke gerieten unter dem enormen Kostendruck immer mehr in Bedrängnis.
Der Problematik entgegenwirken sollen neue Förderprogramme: „Im Rahmen des Klimaschutzprogramms 2030 wurden die Fördermittel für den Gebäudesektor deutlich verbessert“, berichtet Hacer Ritzler-Engels, Beauftragte für Innovation und Technologietransfer bei der Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe. Die sogenannte Bundesförderung Effiziente Gebäude (BEG) werde fortlaufend geändert und angepasst. „Die Zuschüsse für Unternehmen und Endkunden waren noch nie so attraktiv“, sagt die Expertin.
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Das Thema sei insbesondere für das Handwerk so wichtig, weil diese oft einen geringeren finanziellen Spielraum hätten als große Industrieunternehmen und dadurch vielfach auf Förderungen angewiesen seien. „Dabei muss auch die Wichtigkeit dieser Programme betont werden, denn es sind schlussendlich die Handwerksunternehmen, die die Energiewende mit ihren Produkten und Leistungen überhaupt erst umsetzen und vorantreiben“, fügt Kallenbach hinzu.
Im Fokus der Veranstaltung stand, ganz gezielt Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Handwerksunternehmen und Kunden Energie sparen können und von Zuschüssen profitieren können. So standen im Vortrag von Referent Sebastian Hund zunächst die Anforderungen an Neubauten im Fokus, bevor er über die Bundesförderung für effiziente Gebäude berichtete und die neuen Förderungen „Heizungstausch Bonus“ und „Wärmepunpenbonus“ vorstellte. Neben den Höhen der Zuschüssen erläuterte Hund zudem die verschiedenen Effizienhaus-Stufen und Kredithöhen.
Im anschließenden Vortrag von Peter Jakob ging es dann um das Thema Photovoltaik und Elektromobilität. Jakob zeigte Fördermöglichkeiten auf und stellte anhand von Berechnungsbeispielen anschaulich dar, in welchen Zeiträumen sich verschiedene Maßnahmen amortisieren und anschließend rentieren. Eine angeregte Diskussionsrunde un
19.09.2022
Handwerker fordern Strompreisdeckelung
Insbesondere die energieintensiven Betriebe wie Bäcker und Fleischer machen sich große Sorgen in Bezug auf die steigenden Energiepreise. In einem Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten Robin Wagener, Bündnis 90 die Grünen, und der Landtagsabgeordneten Julia Eisentraut, Bündnis 90 die Grünen, stellen Bäcker- und Metzgermeister aus Paderborn und Lippe ihre konkreten Forderungen an die Politik.
„Es geht um unsere Existenzen“, eröffnet Kreishandwerksmeister und Obermeister der Bäcker- und Konditoren-Innung Mickel Biere die Gesprächsrunde, und fährt fort: „Wir wollen wissen, was mit unseren Unternehmen passiert!“ Die anwesenden Bäcker- und Fleischermeister erklären, dass sie mit ihren energieintensiven Betrieben nicht unter den so genannten Versorgertarif fallen, sondern es sich hier durchweg um Sondertarife handele. In vielen Fällen drohten Preissteigerungen um den Faktor acht bis zehn.
„Das kann keiner von uns stemmen!“, sagt Biere. Bäckermeister Carsten Jüde unterstreicht diese Aussage und zeigt anhand eines Zahlenbeispiels, wie groß der Kostenapparat für Bäckereien mittlerweile geworden ist. Der Obermeister der Innung für das Nahrungsmittelhandwerk Paderborn, Bernd Austerschmidt, stimmt dem zu. „Unseren Betrieben steckte quasi Corona noch in den Knochen, da erwischte uns bereits die Rohstoffkrise. Und jetzt folgt die Energiekrise!“
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Konfrontiert mit den Darstellungen der anwesenden Bäcker und Fleischer versichern der Bundestagsabgeordnete Robin Wagener und die Landtagsabgeordnete Julia Eisentraut, dass die Stabilisierung des eigenen Landes derzeit oberste Priorität besitze. Gerade der Stärkung kleinerer und mittlerer Unternehmen komme dabei eine zentrale Rolle zu. „Es ist daher immens wichtig, authentische Stimmen wie aus dem Bäcker- und Fleischerhandwerk zu hören“, sagt Wagener und fragt die Teilnehmer der Gesprächsrunde nach konkreten Maßnahmen, die aus Bäcker- und Fleischersicht die Lage verbessern könnten.
„Wir brauchen faire und vor allem gleiche Wettbewerbsbedingungen wie die Industrie“, fordert Bäckermeister Fred Meffert. Es könne nicht angehen, dass die „Großen“ besser gefördert würden, als die kleinen Betriebe. An dieser Stelle setzt auch Fleischer-Obermeister Andreas Grämmel aus Lippe an: „Wir benötigen konstante und erleichterte Förderungen, beispielsweise bei Investitionen“. Sein Kollege Thorsten Schröder fügt hinzu, dass die Förderprogramme dabei allerdings nicht zu bürokratisch und zu kompliziert für kleine Betriebe sein dürften.
„In Bezug auf die Energiekrise fordern wir konkret für unsere Betriebe eine staatlich verordnete Deckelung der Strompreise sowie die Abschaffung der EEG- und der Gas-Umlage“, fasst Bernd Austerschmidt am Ende der Gesprächsrunde zusammen. Die beiden Politiker versprechen, die Forderungen mit nach Berlin und Düsseldorf zu nehmen und auf der Grundlage der Schilderungen der Betriebe mögliche Maßnahmen zu prüfen.